Der Gesetzentwurf zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch stellt Leistungsansprüche und Leistungsausschlüsse im SGB II und SGB XII insbesondere für Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union in Deutschland gesetzlich klar.
Künftig gilt: Wer nicht in Deutschland arbeitet, selbständig ist oder einen Leistungsanspruch nach SGB II auf Grund vorheriger Arbeit erworben hat, dem stehen innerhalb der ersten fünf Jahre keine dauerhaften Leistungen nach SGB II oder SGB XII zu. Die Betroffenen können jedoch Überbrückungsleistungen bis zur Ausreise erhalten - längstens für einen Zeitraum von einem Monat. Darüber hinaus wird im Bedarfsfall ein Darlehen für die Rückreisekosten gewährt.
Ein Leistungsanspruch im jeweils einschlägigen Leistungssystem kommt für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger künftig nach einem fünfjährigen Aufenthalt in Deutschland zum Tragen. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten dann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Für sie gilt dann auch der Grundsatz des "Förderns und Forderns". Eine Ausnahme besteht für Personen, bei denen der Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt wurde. Zeiten, in denen sich Personen nicht rechtmäßig in Deutschland aufhalten, weil sie ausreisepflichtig sind, werden auf den Fünf-Jahres-Zeitraum nicht angerechnet.
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, des Bundessozialgerichts (BSG) sowie einiger Landessozialgerichte hatten eine Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben erforderlich gemacht. Durch die Urteile war zwar bestätigt worden, dass nicht-erwerbstätige Unionsbürgerinnen und -bürger von einem Anspruch auf Leistungen nach SGB II ausgeschlossen sind (Ausnahmen kamen nur in Betracht, wenn sie bereits zuvor in Deutschland gearbeitet hatten). Allerdings hatte das BSG dieser Personengruppe Hilfen zum Lebensunterhalt aus der Sozialhilfe nach SGB XII zugesprochen. In den ersten sechs Monaten hatte dies nach den Urteilen im Ermessen der Behörden gelegen. Nach einem Aufenthalt von sechs Monaten sahen die Urteile des BSG die Gewährung von Sozialhilfe jedoch als zwingend an - unabhängig davon, ob sich die Person arbeitsuchend oder sogar nach EU-Freizügigkeitsrichtlinie gar nicht legal im Land aufgehalten hatte. Die BSG-Urteile waren damit von den Wertungen abgewichen, die in der EU-Freizügigkeitsrichtlinie angelegt sind und vom EuGH in verschiedenen Grundsatzurteilen bestätigt worden waren. Die aktuelle Gesetzesreform bewegt sich in diesem Rahmen.
Dieser sieht für Unionsbürgerinnen und -bürger, die sich im Rahmen ihres Freizügigkeitsrechts, also legal, in einem anderen Mitgliedsstaat aufhalten, ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot vor. Nach der Europäischen Freizügigkeitsrichtlinie sind Unionsbürgerinnen und -bürger mit ihren Familienangehörigen unter drei Voraussetzungen freizügigkeitsberechtigt:
- während der ersten drei Monate des Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat
- wenn sie als Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer oder selbständig erwerbstätig sind
- wenn sie für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz verfügen.
Zum Zweck der Arbeitsuche sind Unionsbürgerinnen und -bürger für bis zu sechs Monate freizügigkeitsberechtigt und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts haben Unionsbürgerinnen und -bürger regelmäßig ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht.
Das Unionsrecht lässt aber ausdrücklich Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgebot beim Zugang zu steuerfinanzierten Sozialleistungen für Personen zu, die keinen Erwerbstätigenstatus haben und die auch kein Daueraufenthaltsrecht besitzen. Durch diese Ausnahmen im Unionsrecht soll einer unangemessenen Beanspruchung der sozialen Sicherungssysteme der Aufnahmestaaten und Wanderungen zum Bezug von Sozialhilfe vorgebeugt werden. Denn innerhalb der Europäischen Union gibt es erhebliche Unterschiede bei der Höhe der Sozialleistungen. Dabei gilt der Grundsatz, dass Personen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, diese in ihrem Heimatland zu beantragen haben. Der Europäische Gerichtshof hat vor diesem Hintergrund auch in den Urteilen "Dano" (September 2014) und "Alimanovic" (November 2015) Ausschlüsse von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende als europarechtskonform anerkannt.