Mit dem Dialogprozess Arbeiten 4.0, der von April 2015 bis Ende 2016 dauerte, schaffte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Rahmen für einen teils öffentlichen, teils fachlichen Dialog über die Zukunft der Arbeitsgesellschaft. Es ging dabei nicht nur um ein Arbeiten in den neuen Produktionswelten der Industrie 4.0. Ziel war es außerdem, auf Basis des Leitbilds "Guter Arbeit" vorausschauend die sozialen Bedingungen und Spielregeln der künftigen Arbeitsgesellschaft zu thematisieren und mitzugestalten.
Worum geht es genau bei Arbeiten 4.0?
Brauchen wir angesichts der aktuellen technologischen Trends, gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen am Arbeitsmarkt ein neues Leitbild von Arbeit? Wie kann es aussehen? Arbeiten 4.0 beschreibt nicht die heutige Normalität in den Betrieben. Vielmehr zeigt Arbeiten 4.0 neue Perspektiven und Gestaltungschancen in der Zukunft auf. Der Titel "Arbeiten 4.0" knüpft damit an die aktuelle Diskussion über die vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0) an, rückt aber die Arbeitsformen und Arbeitsverhältnisse ins Zentrum – nicht nur im industriellen Sektor, sondern in der gesamten Arbeitswelt. Etwas vereinfacht kann man – in Anlehnung an die Stufen der industriellen Revolutionen – die folgenden historischen Phasen benennen:
Historische Phasen der Arbeit
- Arbeiten 1.0 meint die beginnende Industriegesellschaft und die ersten Organisationen von Arbeitern. Mit der Einführung der Dampfmaschine und mechanischer Produktionsanlagen veränderten sich Ende des 18. Jahrhunderts nicht nur die Produktionsweise, sondern auch die Gesellschaftsstrukturen und das Selbstverständnis der sich herausbildenden Klassen.
- Arbeiten 2.0 meint die beginnende Massenproduktion und die Anfänge des Wohlfahrtsstaates am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Industrialisierung bringt neue soziale Probleme mit sich und wirft grundlegende soziale Fragen auf. Die Verschärfung der sozialen Probleme und der zunehmende Druck der organisierten Arbeiterschaft bilden eine wichtige Grundlage für die Einführung der ersten Sozialversicherungen im Deutschen Reich.
- Arbeiten 3.0 meint die Zeit der Konsolidierung des Sozialstaats und der Arbeitnehmerrechte auf Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft. Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandeln sozialpartnerschaftlich auf Augenhöhe miteinander. Die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen steht im Betrieb wie auch unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern insgesamt außer Frage. Später folgte die Infragestellung sozialer Rechte durch zunehmenden Wettbewerbsdruck und Deregulierung. Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wird die Produktion durch den Einsatz von Informationstechnologie und Elektronik weiter automatisiert, der Anteil von Dienstleistungen nimmt stark zu und nationale Märkte öffnen sich infolge von Europäisierung und Globalisierung.
Zukunft
Arbeiten 4.0 wird vernetzter, digitaler, flexibler sein. Wie genau die zukünftige Arbeitswelt aussehen wird, ist offen. Seit Beginn des 21. Jahrhundert stehen wir vor einem erneuten grundlegenden Wandel der Produktionsweise. Die wachsende Vernetzung und zunehmende Kooperation von Mensch und Maschine ändert nicht nur die Art, wie wir produzieren, sondern schafft auch ganz neue Produkte und Dienstleistungen. Durch den kulturellen und gesellschaftlichen Wandel entstehen neue Ansprüche an Arbeit, auch die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen verändert sich. Welche Auswirkungen diese Entwicklungen auf die Organisation von Arbeit und sozialer Sicherung haben, ist offen. Wir stehen am Beginn neuer Aushandlungsprozesse zwischen Individuen, Sozialpartnern und dem Staat.
Es reicht zukünftig nicht, an den Rändern des Arbeitsmarktes auf unerwünschte Entwicklungen zu reagieren, auch wenn dies weiter notwendig sein wird. Der Gestaltungsbedarf von Arbeiten 4.0 geht darüber hinaus.
Der Dialogprozess
Meilensteine des Dialogprozesses
Das Grünbuch
Als Grundlage für den Dialog stellte die damalige Bundesministerin Andrea Nahles am 22. April 2015 in Berlin das Grünbuch Arbeiten 4.0 vor. Es skizziert bestimmende Trends, gewandelte Werte und wichtige Handlungsfelder der künftigen Arbeitsgesellschaft. Es enthält eine Reihe konkreter Leitfragen, die einen breiten Dialog anstoßen sollten und unter Einbindung von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Sozialpartnern, Verbänden und betrieblicher und Praxis behandelt werden sollten.
Der Dialog
Das BMAS stellte einen Beraterkreis mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und der betrieblichen Praxis zusammen, mit dem die Fragen des Grünbuchs diskutiert und aufgearbeitet wurden. Dazu gab es eine Reihe von Workshops zu spezifischen Fragestellungen, bei denen der Beraterkreis durch weitere Personen mit spezieller thematischer Expertise ergänzt wurde. Die Zwischenergebnisse wurden im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen und den Werkheften zur Diskussion gestellt.
Das BMAS möchte erreichen, dass Arbeiten 4.0 breit diskutiert wird. Dazu wurden bestehende Formate wie die Partnerschaft für Fachkräfte und die Initiative Neue Qualität der Arbeit genutzt. Die Sozialpartner wurden darüber hinaus eingeladen, ihre Ideen und Positionen auf die im Grünbuch gestellten Fragen einzubringen. Im Rahmen einer Halbzeitkonferenz und einer Abschlusskonferenz wurden die Zwischenergebnisse des Dialogs zur Diskussion gestellt. Dabei wurde auf einen intensiven Austausch mit Partnern aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen gesetzt: Wissenschaft und Praxis, Verbände und Sozialpartner, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Im Juli 2015 besuchte Andrea Nahles eine Reihe von Unternehmen und Institutionen, die sich bereits mit den Herausforderungen der Digitalisierung in der betrieblichen Praxis auseinandersetzen. Sie informierte sich vor Ort darüber, mit welchen Problemen Unternehmen und ihre Belegschaften konfrontiert sind und wie innovative Lösungsansätze aussehen können.
Mit dem Futurale Filmfestival, das von Herbst 2015 bis Herbst 2016 auf Tour durch 27 Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz ging, wurde der Dialog in die breite Fläche getragen, und die Bürgerinnen und Bürger konnten sich auf diesem Wege einbringen: Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Und welche Spielregeln braucht es dafür? Die Anregungen aus diesem Diskussionsprozess wurden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales aufgenommen und für das Weißbuch Arbeiten 4.0 berücksichtigt.
Studien und Forschungsvorhaben
Im Laufe des Prozesses führte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Reihe von Studien und Forschungsvorhaben durch. Im Vordergrund standen dabei die Fragen: Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Arbeitswelt? Welche Ansprüche an Arbeit und den Sozialstaat existieren in der Gesellschaft und wie können diese aufgegriffen werden? Die Studien können in den jeweiligen Themenräumen recherchiert werden.
Das Weißbuch
Der Dialog fand Ende 2016 mit dem Weißbuch Arbeiten 4.0 seinen Abschluss. In diesem Dokument finden sich die gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse aus dem Dialog wieder, darüber hinaus werden Gestaltungsoptionen erörtert.